Autor: Kinga,
"Liebt einander!" 1/2009 → Die Bewegung der Reinen Herzen
Ich fühlte mich wie ein Schmetterling, eingehüllt in einen dichten
Kokon, der es mir unmöglich machte, meine Flügel auszubreiten. Eine sehr
lange Zeit über flatterte ich in diesem meinem inneren „Gefängnis“ umher.
Wer ich bin? Jetzt bin ich ein freier Mensch!!! Frei von einer inneren
Dunkelheit, Ohnmacht, Verzweiflung und Wut, die mich sehr lange begleitet
haben.
Wer ich war? … Seit sechs Jahren bin ich krank. Es ist keine tödliche,
aber eine sehr lästige Krankheit, die ein normales Leben unmöglich macht.
Als sie auftauchte, musste ich meine Wünsche und Zukunftspläne aufgeben.
Ich war gezwungen, das, was ich sehr gerne tat, alle meine Hobbys und
Interessen, aufzugeben. Ich war wütend auf Gott, denn Er hatte mir alles
genommen und mich mit nichts zurückgelassen. Er nahm mir meine Freuden,
meine Hoffnungen, meine Errungenschaften und Pläne. Es blieb mir nichts
als ungeheures Leid und eine innere Traurigkeit, die mein Herz in einen
Ort ohne jegliche Hoffnung verwandelten. Ich vegetierte nur noch wie eine
leblose Pflanze vor mich hin. Ich fühlte mich wie ein Schmetterling, eingehüllt
in einen dichten Kokon, der es mir unmöglich machte, meine Flügel auszubreiten.
Eine sehr lange Zeit über flatterte ich in diesem meinem inneren „Gefängnis“
umher und rief fortwährend den Herrn an, Er möchte mir irgendwie helfen.
Ich sah, wie die Wut mich zerstörte, und es war mir gleichzeitig klar,
dass ich aus eigener Kraft heraus nicht in der Lage war, mich diesem starken
Gefühl entgegenzusetzen. Ich wusste, dass nur Gott mich befreien konnte.
Ich irrte mich nicht. Der Herr begann meine Heilung, indem Er mir die
Ursache meiner Probleme vor Augen führte. Ihm habe ich es zu verdanken,
dass ich meiner Wunde einen Namen geben konnte – es war das Nicht-Verzeihen
können, denn ich konnte weder mir selber noch Gott verzeihen. Ich konnte
Seinen Willen zwar mit dem Verstand, aber nicht mit dem Herzen akzeptieren.
Ich wusste wohl Bescheid, aber mein Herz wollte nicht gehorchen, es rang
und kämpfte, es wollte die Realität nicht annehmen.
Einige Zeit später hatte ich einen Traum, der es mir bewusst machte,
dass ich mich von Gott sehr schlecht behandelt, verletzt und weggestoßen
fühlte, dass ich Ihn jedoch andererseits sehr brauchte. Ich wollte, dass
Gott mich an sich drückt und mein verletztes Herz heilt. In diesem Traum
zeigte mir der Herr auch eine 40-50 jährige Frau in einem Rollstuhl. Innerlich
fühlte ich, dass der Herr diese Frau ganz besonders lieb hatte. Zwei Wochen
später sah ich diese Frau bei einer nächtlichen Anbetung in der Kirche,
genauso wie ich sie in meinem Traum gesehen hatte. Es war eine Nonne,
die multiple Sklerose hatte. Sie sitzt im Rollstuhl und kann eigentlich
keine Tätigkeit ausführen.
Die vielstündigen, späteren Gespräche mit ihr über ihre Leidenserfahrungen,
die doch um so vieles größer waren als meine eigenen, zeigten mir, dass
es im Leben nicht an erster Stelle um physische Fähigkeiten und Tätigkeiten,
sondern um Liebe geht, die am wichtigsten ist. Eine Liebe, die den Menschen
über alle Behinderungen emporhebt, und die sich Christus hingibt, weil
sie immerwährend auf ihren Meister schaut. Mein Traum und das Treffen
mit dieser Schwester waren für mich die Tür zur Vergebung und zur Annahme
von Gottes Willen. So konnte ich mir und Gott verzeihen.
Das klingt komisch. Wie kann man sich selber und vor allem Gott verzeihen?
Er ist doch Gott, unser Vater, und kann uns doch nichts Schlechtes wollen!
Warum fühlte dann mein Herz dieses ungeheure Leid (so lange Zeit eigentlich
unbewusst), diesen Groll Gott gegenüber, der doch unser wunderbarer Vater
ist? Warum war es von solchen Gefühlen wie Wut, Verzweiflung oder Groll
erfüllt? ... Ich wusste, dass ich mich mit demjenigen versöhnen musste,
den wir für all das Schlechte, das uns angetan wurde, verantwortlich machen,
denn selbst der kleinste Tropfen Bitterkeit kann das Innere des Menschen
in eine leblose Wüste verwandeln. Ich wusste, dass ungeordnete Gefühle
eine Stärke erlangen können, welche die Menschlichkeit vernichtet.
Ich habe lange darüber nachgedacht, wie ich Gott vergeben sollte – nicht
durch einen Willensakt (das hatte ich bereits getan), sondern mit dem
Herzen, indem ich dieses für mich so schwierige Geschenk – die Krankheit
– in Liebe annahm. Ich schrieb einen Versöhnungsbrief an den Herrn, den
ich meinen Leidbringer nannte und den ich unrechtmäßigerweise für mein
Leid verantwortlich machte; gleichzeitig sah ich den Herrn als mein Opfer
an, als jemanden, den ich verletzt hatte. Ich schrieb den gleichen Brief
an mich selber. Das Schreiben von Versöhnungsbriefen ist der letzte Schritt
bei der christlichen Therapie „Lebendige Hoffnung“. Kurz nach dem Verfassen
der beiden Briefe zerriss mein Kokon der Ohnmacht und meine Beziehung
zu Gott änderte sich diametral.
Als ich mich mit mir selber und mit Gott versöhnte, fiel der dunkle Vorhang
und Freude kam auf, ein Freiraum in meinem Innern tat sich auf und die
Hoffnung kehrte wieder. Der Herr fing an, langsam meine neuen Wünsche,
Sehnsüchte und Zukunftspläne zu formen. Gleichzeitig entstand auch ein
ganz neues Bild meiner selbst – derjenigen, die nicht weggestoßen, sondern
bedingungslos von ihrem Schöpfer geliebt wird. Durch diesen Versöhnungsakt
heilte der Herr nicht nur mein Herz, sondern auch meinen Körper. Die Heilung
der psychischen und seelischen Bereiche begünstigte auch die Heilung der
physischen Leiden (d.h. die Heilung von all dem, was geheilt werden konnte).
Am Ende meiner inneren Kämpfe standen die Exerzitien der Bewegung der
Reinen Herzen. Während der nächtlichen Anbetung zeigte mir der Herr ganz
deutlich, warum ich dieses Leid ertragen muss und welchen Sinn es hat.
Durch das Kreuz, egal wie groß es ist und welcher Art es ist, zieht der
Herr Dich ganz nah an sich heran. Er möchte Dich an seiner Seite haben.
Wenngleich Seine Umarmung manchmal sehr schmerzhaft ist, so dient sie
dazu, Dich davor zu bewahren vom Kreuz zu fallen und auf der Erde zu zerschmettern.
Vergebe … Vergebe immer wieder demjenigen, der Dir Leid zufügt hat, demgegenüber
Du Bitterkeit, Wut oder Hass empfindest, egal ob es sich dabei um Gott,
einen Nachbar, einen Freund, Deine Mutter, Deinen Vater oder einen ganz
fremden Menschen handelt. Verzeihe fortwährend, damit Du das Leben in
Fülle leben kannst. Die Vergebung ist kein Gefühl, kein emotionaler Zustand
– es ist ein Willensakt, ein Liebesakt. Habe keine Angst vor Verletzungen
oder Leiden – sie sind dazu da, um Deinem Meister noch näher zu kommen,
der die Macht hat, selbst die hoffnungslosesten Fälle zu heilen. Wenn
Du vergibst, dann gibst Du Gott die Chance, in die dunkelsten, schmutzigsten
und verwahrlostesten Bereiche Deines Herzens zu kommen, die sich so sehr
nach Licht, Reinigung und Heilung sehnen und die der Liebes ihres Schöpfers
bedürfen. Die Vergebung öffnet die Tür zu Deinem Käfig, sie ermöglicht
es Dir, Deine Flügel auszubreiten, den Wind der Hoffnung zu spüren und
sich in die Lüfte zu erheben. Vergebe und nehme mit Liebe das an, was
der Herr Dir gibt. Obwohl es manchmal eine problematische Gabe ist, so
erhältst Du sie nicht ohne Grund, denn Du sollst daran wachsen. Jedes
Leiden hat einen Sinn. Nimmt man es mit Liebe an, so verwandelt es auch
das rebellischste und härteste Herz. Obwohl mein Körper nicht wunderbar
geheilt worden ist und die Krankheit mich noch lange, vielleicht sogar
bis an mein Lebensende, begleiten wird, so habe ich doch durch die Vergebung
und Akzeptanz eine Freiheit erlangt, die zu einem der wichtigsten Fundamente
meiner Existenz geworden ist. Ich habe Gott wiedererlangt und seine unermessliche
Liebe zu mir wiederentdeckt. Ich wünsche Dir Vergebung … und dass Du andere
damit beschenken kannst, um sie zu glücklichen Menschen zu machen und
selber glücklich zu werden.